Ausstellung
Beteiligung
Unter dem Titel „Partecipazione / Beteiligung“ planten AKT & Hermann Czech den Österreichische Pavillon temporär zu teilen und eine Hälfte des Gebäudes zum benachbarten Stadtteil Sant’Elena zu öffnen. Der gesellschaftlich wirksame Umbau des Pavillons war als Hinwendung der Biennale zur Stadt konzipiert: nicht in Form einer weiteren Ausbreitung wie in den letzten Jahrzehnten, sondern als Umkehrung dieser räumlichen Praxis. Diese ist in den vergangenen Jahren auch in der internationalen Presse in die Kritik geraten. Durch die Öffnung nach Sant’Elena sollte die Bevölkerung während der Biennale an einem Bereich der ursprünglich öffentlichen Giardini beteiligt werden. Der halbe Österreichische Pavillon sollte ein frei zugänglicher Versammlungsraum sein: eine architektonische Einladung für die Einwohner*innen Sant’Elenas und venezianische Initiativen an die Biennale, über das Verhältnis zwischen einer der wichtigsten Kulturinstitutionen der Welt und der Stadt Venedig zu diskutieren.
Die Biennale und die involvierten Behörden haben das Projekt abgelehnt.
Der für das Projekt geplante architektonische Zustand wurde bis auf die verhinderte Anbindung hergestellt und als unzugängliche Leerstelle zum zentralen Exponat der Ausstellung. Die nicht öffentlich zugängliche Hälfte des Pavillons wird für die Biennale-Besucher*innen als vergebene Möglichkeit der Beteiligung erfahrbar gemacht. Das Scheitern, ebenso wie seine Gründe, werden dokumentiert und im Zuge der Ausstellung kontextualisiert. Die politische Dimension der Verantwortung kultureller Institutionen wird damit dem internationalen Publikum umso anschaulicher und dringlicher dargestellt.
Wie wirkt Architektur, wie verschieben sich gesellschaftliche Zustände, wenn sie gebaut wird? Diese Frage stellt das zentrale Exponat der Ausstellung, die trennende Wand, die den symmetrischen Pavillon im Eingang zwischen den Haupträumen teilt.
Exklusion Giardini
Auf dem Gebiet der ehemals öffentlichen Giardini Pubblici hat die Biennale im Laufe ihres Bestehens schrittweise ihre Flächen erweitert und diese konsequent zur Stadt hin abgeschottet. Seit der Einfassung des Biennale-Geländes gibt es keine räumliche Beziehung zwischen umgebender Stadt und Ausstellung. Trotz wiederholter Absichtserklärungen auch vonseiten der Stadtverwaltung, die Giardini wieder ganzjährig zu öffnen, bleiben sie ein exklusiver Raum für zahlende Besucher*innen und in den ausstellungsfreien Zeiten geschlossen. Auch Versuche von Künstler*innen und Architekt*innen, diese Trennung im Rahmen ihrer Ausstellungsbeiträge aufzubrechen, wurden stets abgewiesen.
Exklusion Arsenale
Das Arsenale mit einer Fläche von beinahe einem Zehntel der gesamten Altstadt ist eines der umstrittensten Entwicklungsgebiete von Venedig. Komplexe Eigentumsverhältnisse zwischen Staat und Gemeinde haben dazu beigetragen, dass nie ein übergeordnetes Konzept zu seiner Eingliederung in die Stadt zustande kam. Mit der ersten Architekturbiennale 1980 begannen die Restaurierungsarbeiten durch das Denkmalamt; seither hat die Biennale ihre Flächen dort kontinuierlich ausgedehnt. Diese ausschließliche Nutzung für den zahlenden Kulturtourismus
wird von zahlreichen Initiativen kritisiert, die seit Jahren eine öffentliche Durchwegung des Arsenale und seine Öffnung für die lokale Bevölkerung fordern.
Expansion
Um Raum für assoziierte Ausstellungen und jene Teilnehmerländer zu schaffen, die über keinen eigenen Pavillon in den Giardini oder im Arsenale verfügen, betreibt die Biennale seit Jahren eine eigene Immobilienbörse. Waren die externen Veranstaltungen zunächst vor allem in Palazzi, Kirchen und Kulturinstitutionen der Stadt untergebracht, zeigt ein Blick auf die Kunstbiennale 2022, dass die Ausstellungsorte längst die gesamte bautypologische Bandbreite Venedigs erfassen: Ehemalige Werkstätten, Manufakturen, einstige Geschäfte und sogar aufgelassene Wohnungen werden dem Betrieb der Biennale zugeführt und illustrieren eine Entwicklung, die in der Stadt zusehends auf Kritik stößt.
Beteiligte
Damit Menschen an Stadt beteiligt sein können, müssen sie über ein Stück Stadt verfügen. Zum Konzept der Beteiligung gehört deshalb die Abgabe von Raum. Bereits vor eineinhalb Jahren wurde Kontakt zu den Bewohner*innen Sant’Elenas sowie venezianischen Recht-auf-Stadt-Initiativen aufgenommen, um die temporäre Übernahme einer Hälfte des Pavillons durch sie vorzubereiten. Eine mögliche Ablehnung des Projekts durch die Biennale wurde von Beginn an mitbedacht. Gemeinsam wurde ein Programm entwickelt, das den Mangel an leistbaren privaten wie öffentlichen Flächen in Venedig aufzeigt und sich nun in die prekären Resträume
der umliegenden Nachbarschaft verlagert.
Ablehnung
Das von einer internationalen Jury ausgewählte Projekt für den Österreichischen Pavillon wurde trotz mehrerer Besprechungen mit dem lokalen Kontaktarchitekten und persönlicher Vorstellung durch AKT & Hermann Czech in Venedig nie von der Biennale unterstützt oder konstruktiv diskutiert. Nachdem ein Zugang durch die Mauer in Vorgesprächen abgelehnt worden war, wurde bei der Biennale am 17. Jänner 2023 eine Brückenkonstruktion nach Sant’Elena eingereicht. Zwei Monate später, am 17. März 2023, organisierte die Biennale ihre „Conferenza dei Servizi“ mit den involvierten Behörden. Am 6. April 2023, sechs Wochen vor Eröffnung des Pavillons, erreichte AKT & Hermann Czech schließlich das Protokoll
dieser Sitzung.